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Poetische Quellen
25.08.2024
Ort: Löhne
Beginn: 16:30 Uhr

Die Banalität des Bösen und der ewige Faschismus des Bürgertums

im Rahmen von Poetische Quellen

Nicola Lagioia wurde 1973 in der süditalienischen Stadt Bari geboren. Seinen ersten Roman veröffentlichte er 2001. Es folgten weitere Veröffentlichungen in einem Autorenkollektiv, bis er 2009 mit Riportando a casa [dt. etwa: Nach Hause bringen] seinen zweiten Roman veröffentlichte, für den er gleich mit drei Preisen ausgezeichnet wurde.

Im Jahr 2014 folgte der vielbeachtete Roman La ferocia, für den Lagioia den Premio Strega, den wichtigsten Literaturpreis Italiens bekam. Mit dem Roman reihte er sich in eine Generation italienischer Autor:innen ein, deren Schreiben ein Aufschrei gegen eine politische Klasse darstellt, die Italien und seine Bewohner:innen mit Spekulation und Korruption unterwandert und damit das Gemeinwesen zerstört hat. Lagioias Blick in die Dunkelzonen der Gesellschaft zeichnet ein schonungsloses Sittenbild vom Zerfall der Beziehungen und vom Zerfall des italienischen Südens nach. In Deutschland erschien der Roman unter dem Titel Eiskalter Süden und machte ihn hier erstmals als Autor bekannt.

Sein jüngster Roman La città dei vivi erschien 2020 im renommierten Turiner Einaudi Verlag und war eine literarische Sensation. Das Buch, das in der deutschen Übersetzung Die Stadt der Lebenden heißt, versucht die wahre Geschichte eines grausamen Mordes zu rekonstruieren, den zwei Jungen aus gutem Hause an einem dritten begangen haben. Vorausgegangen waren jahrelange Recherchen des Autors, die das Sichten von Gerichtsakten und Gutachten, Abhörprotokollen, inzwischen rechtskräftigen Urteilen, Audio- und Videobeiträgen, offiziellen Erklärungen und Interviews umfassten. Es ist eine Reise in den menschlichen und moralischen Abgrund einer Gesellschaft und gleichzeitig eine Offenlegung des städtischen Molochs Rom.

Der 1977 in Halle an der Saale geborene Clemens Meyer wuchs in einem Arbeiterviertel im Leipziger Osten auf. Kurz vor Zusammenbruch der DDR nahm ihn seine Mutter regelmäßig mit zu den Montagsdemonstrationen. Die frühe Nachwendezeit war durch Kleinkriminalität, Alkohol, Drogen, Gewalt und auch Gefängnisaufenthalten geprägt. Trotz diesen Erfahrungen schaffte Meyer 1996 das Abitur und studierte zwischen 1998 und 2003 am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Das Studium finanzierte er mit einfachen Arbeiten und mit Stipendien. Die ersten Jahre als Schriftsteller verbrachte er in kärglichen Verhältnissen und zum Teil mit dem Bezug von Arbeitslosenhilfe.

Dennoch gelang ihm gleich mit seinem ersten Roman Als wir träumten im Jahr 2006 sein schriftstellerischer Durchbruch. Heute gehört der inzwischen vielfach ausgezeichnete Autor zu den bekanntesten in Deutschland. 2015 war Meyer im Rahmen eines Stipendiums und danach noch mehrere Male in Serbien und Novi Sad. Seine damaligen Recherchen flossen nicht nur in den schmalen Roman Nacht im Bioskop von 2020, sondern dienten auch als Grundlage für sein bisher größtes Romanprojekt, das unter dem Titel Die Projektoren fast zeitgleich zu den Poetischen Quellen erscheint. Dieser neue epische Roman von Clemens Meyer beschreibt eine tief im Mythologischen angesiedelte Gegenwart, in der Gewalt die Dinge ins Rollen bringt. Zentrales Thema ist die Geschichte Europas nach dem Zweiten Weltkrieg und das Auseinanderfallen von Staaten und Biografien. Die Erzählzeit umfasst den deutschen Angriff auf Belgrad im Jahr 1941, erzählt die deutsche Teilung, nimmt die Jugoslawienkriege in den Blick und konkretisiert die politische Gegenwart anhand einer Figur, die in der DDR der achtziger Jahre und in der BRD der Neunziger zum Neonazi wird. Eine weitere Hauptfigur, die im jugoslawischen Partisanenkrieg traumatisiert wird und in den sechziger Jahren in die Dreharbeiten der Winnetou-Filme im Velebit-Gebirge gerät, erlebt die ehemaligen Drehorte Jahrzehnte später als Schauplätze des Kroatienkriegs. Wie in jedem Epos schließt sich an den mythischen Orten der Menschheit, in dem Falle des kollektiven Bildarchivs des Films, ein erzählerischer Kreis.

Informationen
Datum:
25.08.2024, 16:30 Uhr
Ort:
AQUA MAGICA PARK
Bültestraße 50
32584 Löhne
Anfahrt (Google Maps)
Eintritt:
12 €, erm. 6 €
Veranstalter:
AQUA MAGICA Bad Oeynhausen & Löhne GmbH
E-Mail:
Web:
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